Bericht und Titelbild: Daniel Niebuhr (Delmenhorster Kreisblatt)
Fußball-Oberligist SV Atlas Delmenhorst will das DFB-Pokal-Spiel gegen Werder Bremen auch sportlich nutzen – und anschließend nicht in ein Loch fallen.
Bastian Fuhrken war gestern schon einmal auf dem Weg nach Berlin, was allerdings ausnahmsweise nichts mit dem DFB-Pokal zu tun hatte. Der Sportchef des SV Atlas wird sich in der Hauptstadt nicht etwa das Olympiastadion als möglichen Finalort ansehen, sondern einfach mal kurz abschalten – er befindet sich ja praktisch im Auge des Hurrikanes. Hinter und vor ihm liegen anstrengende Wochen.
Am 10. August läuft der von Fuhrken einst mitgegründete Verein im Bremer Weserstadion als offizielle Heimmannschaft gegen Werder Bremen auf, das Erstrundenspiel wird voraussichtlich mit 42 100 Zuschauern ausverkauft sein und damit einige Rekorde brechen. In den Tagen zuvor werden Oberliga-Mannschaft und Betreuer schon einmal die Arena besichtigen, um die Aufregung am Spieltag zumindest etwas zu begrenzen. Das ist ein frommer Wunsch, denn dieses Spiel wird vermutlich für jeden in den Delmenhorster Reihen eine emotionale Grenzerfahrung – kein Atlas-Spieler hat je vor einer solchen Kulisse gespielt. „Das ist im Kopf auch noch nicht angekommen“, sagt Fuhrken. „Wie soll es auch? Wir trainieren auf einem Hoppelrasen und können uns noch nicht so recht vorstellen, im Weserstadion unter Flutlicht zu spielen.“
Es spricht für ihn, dass er mit dem Rest der sportlichen Leitung das „Jahrhundertspiel“ aber auch als das sieht, was es wohl wird: ein einmaliges Highlight. Der Club steht vor einer richtungsweisenden Oberliga-Saison, für die das Werder-Spiel – unabhängig von den sechsstelligen Einnahmen – Fluch und Segen zugleich ist. Atlas startet schon zwei Wochen vorher mit dem Niedersachsenpokal-Achtelfinale gegen den SC Spelle-Venhaus am 27. Juli in die Saison, eine Woche später kommt Regionalliga-Absteiger VfL Oldenburg – dass mancher Spieler mit dem Kopf schon im Weserstadion sein mag, hält Fuhrken erst einmal für leistungsfördernd: „Jeder will doch im DFB-Pokal spielen. Eine bessere Motivation, sich reinzuhängen, gibt es nicht.“ Allerdings sei dieses Auftaktprogramm mit zwei Oberliga-Mitfavoriten auch „knallhart“. Für das Pokalspiel gegen Spelle wird eine vierstellige Zuschauerzahl im Stadion an der Düsternortstraße erwartet.
Was Fuhrken Sorgen macht, ist eher das Danach – wenn die Partie im Weserstadion abgepfiffen ist, beginnt die wichtigste Phase der Hinrunde. „Dann musst du am Montag den Schalter umlegen, denn nach dem Pokal wird das öffentliche Interesse schlagartig weniger“, sagt Fuhrken. „Dann spielen wir wieder vor ein paar hundert Leuten und nicht vor 42 100.“ Trainer Key Riebau weiß, wie verheerend ein Ligakater nach dem Pokalrausch ausfallen kann. In der Vorsaison verkaufte er sich mit dem Regionalligisten SSV Jeddeloh in der ersten DFB-Pokal-Runde beim 2:5 gegen den Zweitligisten 1. FC Heidenheim teuer – und kassierte in den nächsten Ligaspielen erst ein 2:7-Debakel gegen Hannover 96 II und vier Tage später ein 1:2 beim späteren Absteiger Germania Egestorf-Langreder. Fuhrkens Sorge: „Wenn wir danach zwei Spiele verlieren, könnte es passieren, dass wir alle in ein Loch fallen. Das müssen wir unbedingt verhindern.“
Der Spielplan könnte dabei helfen: Das erste Oberliga-Spiel nach dem DFB-Pokal steht am 18. August beim unangenehmen FC Hagen/Uthlede an, danach spielt Atlas gegen Egestorf-Langreder am 24. und Aufsteiger MTV Eintracht Celle am 28. August aber zweimal zuhause.
Bei aller Weitsicht kann sich Fuhrken von der Vorfreude auf das Werder-Spiel natürlich nicht freimachen. Die Bremer Profis weilen gerade im Trainingslager in Zell am Ziller – und in Delmenhorst wird jede Bewegung verfolgt. „Ich ertappe mich dabei, dass ich lese, wer verletzt ist“, erzählt der Atlas-Sportchef. „Das mache ich normalerweise nie.“ Aber normal ist bei Atlas gerade kaum noch etwas. Auch die Anstoßzeit von 20.45 Uhr ist ungewöhnlich, kein Atlas-Spiel seit der Wiedergründung hat je so spät begonnen. Besonderes Training ist dafür nicht geplant – ebenso wenig wie für eine Verlängerung, die es im Niedersachsenpokal nicht gibt. „Die würden wir ohnehin nicht durchstehen“, scherzt Fuhrken. Dafür ist eine Einheit auf dem Hauptplatz in Düsternort geplant, der den Maßen im Weserstadion nahekommt. In der Woche vor dem Spiel soll es auch einen TV-Tag geben – noch so eine Delmenhorster Premiere.