Torwarttrainer mit Doktortitel

Das Herz von Tobias Duffner schlägt schon für den SV Atlas Delmenhorst
Artikel vom 5. November 2020
Ein Bericht vom
von Nico Nadig
Titelbild: Rolf Tobis
Florian Kohfeldt war vor etwas mehr als zwei Wochen auf dem Weg zu einer Trainingseinheit der Fußball-Profis des SV Werder Bremen, als er ein ihm wohlbekanntes Gesicht entdeckte: "Eine Legende kehrt zurück", rief der Coach des Bundesligisten. Wen hatte der ehemalige Jugendtorhüter des TV Jahn Delmenhorst auf dem Gelände erspäht? Tobias Duffner. Der 36-Jährige stand zehn Jahre lang für Werders U23 zwischen den Pfosten und trainierte in dieser Zeit auch unter Kohfeldt. Nachdem er im vergangenen Jahr seine aktive Laufbahn beendet hatte, übernahm er in diesem Sommer die Position des Torwarttrainers beim SV Atlas Delmenhorst.
Trainerjob beim SV Atlas geht vor
Da stellt sich die Frage, was hat Duffner beim Regionalliga-Konkurrenten der Blau-Gelben gemacht? Nun, er hilft in Bremen als Trainingstorwart aus – aufgrund von Verletzungen stand dem Werder-Nachwuchs eine Zeit lang nur ein einsatzfähiger Schlussmann zur Verfügung. Außerdem hospitiert Duffner bei Manuel Klon, dem Torhütertrainer des Nachwuchsleistungszentrums. „Ich spüre eine tiefe Verbundenheit zu Werder, das ist mein Verein. Ich habe da nicht umsonst gerne zehn Jahre gespielt. So kam auch der Kontakt zustande“, erklärt Duffner. Ihm sei dabei allerdings wichtig gewesen, dass das nicht mit seiner Tätigkeit als Torwarttrainer des Viertliga-Aufsteigers kollidiert. Daher holte er sich zuvor das Einverständnis der Atlas-Verantwortlichen. Und falls er sich zwischen seinem Engagement als Aushilfstorhüter beim SV Werder und als Trainer beim SVA entscheiden müsste, wäre seine Antwort eindeutig: „Da schlägt mein Herz für Atlas“, betont Duffner, der sich den Delmenhorstern bereits verbunden fühlt.
Atmosphäre und Weggefährten überzeugen
Dass er sich beim SV Atlas wohlfühlt, überrascht nicht. Schließlich hat er sich bewusst für den Verein entschieden. Nach seinem Karriereende hatte er zunächst Abstand zum Fußball gesucht, ehe Bastian Fuhrken, Leiter Leistungsfußball des SVA, anrief und sich nach einer möglichen Zusammenarbeit erkundigte. "Atlas ist und war der Verein, bei dem ich mir vorstellen konnte, im Torhüterbereich mitzuwirken. Erstens wegen des Umfelds mit den Fans, da kommt richtig Atmosphäre auf. Zweitens, weil viele meiner Weggefährten dort sind und ich daher wusste, dass dort professionell gearbeitet wird", erzählt Duffner. Nach guten Gesprächen sagte er schließlich zu. Nicht nur die Gespräche hinterließen bei dem 36-Jährigen einen positiven Eindruck, sondern auch die erste Trainingseinheit beim Aufsteiger. Von Anfang an hätten die Torhüter motiviert mitgezogen. Wie schaut eigentlich so ein Torwarttraining aus? Duffner erklärt:
„Wir arbeiten im athletischen Bereich oder üben die technischen Abläufe und das Stellungsspiel. Es gibt viele Facetten, wobei jeder Torwart natürlich auch seine eigenen Bereiche zum Verbessern hat.“
Außerdem gehört es zu Duffners Aufgabe, die Spiele mit den Torhütern aufzuarbeiten. Es gab in der bisher unglücklich verlaufenen Saison 2020/21 für die Delmenhorster auch die eine oder andere Szene, in der die Schlussmänner nicht die allerbeste Figur abgegeben haben. "Da müssen wir offen und ehrlich sein, dass wir uns auf der Position auch einen anderen Start vorgenommen hatten. Wir gehen aber mit der Kritik um – und es ist auch ein Lernprozess", sagt Duffner. In den vergangenen beiden Spielen hat sich laut des 36-Jährigen allerdings Florian Urbainski stabilisiert. Und überhaupt: Urbainski und Malte Seemann hätten auch schon gute Szenen gehabt. Letztendlich sei es wichtig, Torhütern ebenfalls zuzugestehen, dass ihnen mal Fehler unterlaufen können.
Keine ungewohnte Rolle
Obwohl das Engagement beim SVA Duffners erste Station als Torwarttrainer darstellt, ist die Rolle als Coach nicht unbedingt neu für ihn. Als er als 26-Jähriger zum SV Werder wechselte, hatte er eine klare, ähnliche Aufgabe: Er sollte die Talente Felix Wiedwald und Sebastian Mielitz anleiten. "Die Rolle macht mir Spaß. Ich bin ein Typ, der gerne Verantwortung übernimmt und andere mitzieht", erklärt Duffner, der regelmäßig auch bei den Profis mittrainierte. Spielminuten sammelte er in der Bundesliga allerdings nicht. Ein Grund, verbittert zu sein, ist das für ihn jedoch keinesfalls. "Natürlich war die Bundesliga ein Kindheitstraum, aber ich hatte eine tolle Zeit und habe tolle Erfahrungen gesammelt", sagt Duffner.
Studium in London
Tolle Erfahrungen hat der 36-Jährige nicht ausschließlich auf dem Platz gesammelt. Schon während seiner Zeit bei Werder bildete er sich weiter. Nach Fortbildungen zum Diplom-Sportmanager und Sportfachwirt fing er in Großbritannien ein Bachelor-Studium im Fach "Business Administration" an – ein Master folgte. "Diese Erfahrung im Ausland hat mich immer gereizt, als Spieler ist mir das ja nicht vergönnt gewesen. Mit der Unterstützung von Werder konnte ich das machen", erzählt Duffner. In dieser Zeit flog er freitagmorgens nach London, reiste noch am selben Tag zurück. Am Samstag stand der Spieltag in der 3. Liga an. Sonntags ging es dann morgens wieder nach London und abends zurück nach Bremen. "Ich habe es wirklich gerne gemacht und die Zeit genossen", erzählt Duffner. Mit dem Abschluss des Master-Studiums war es für ihn übrigens noch nicht getan. Seit August darf er sich nämlich auch Doktor nennen.
Tobias Duffner wollte eigentlich im Feld spielen
Übrigens: Dass er all diese Erfahrungen sammeln konnte, beruht ein Stück weit auf dem Zufall. Zumindest was die Anfänge der Fußballzeit angeht. Denn eigentlich wollte Duffner im Feld spielen. "Ich hätte auch einen guten Sechser abgegeben", scherzt er. Wie er dann doch zwischen den Pfosten gelandet ist? Nun, in der F-Jugend fragte sein damaliger Trainer, wer sich in das Tor stellen möchte. Nachdem sich zuerst niemand gemeldet hatte, hob Duffner seinen Arm. "Ich bin eben eine gute Seele", sagt er lachend und erzählt weiter:
„Den einen oder anderen Ball habe ich gehalten und bin dann eben im Tor geblieben.“
Die Torhüter-Position ist zweifelsohne besonders im Fußball. Nirgendwo liegen "Held oder Depp" schließlich so nah beieinander: Oft bekommt der Schlussmann nur wenige Bälle aufs Tor. Pariert er diese – vielleicht sogar mit etwas Glück – kann er ein Spiel für seine Mannschaft gewinnen. Rutscht ihm dagegen ein Ball durch, sind alle Augen auf ihn gerichtet. "Das ist Fluch und Segen zugleich. Aber mir hat das auch so ein bisschen Spaß gemacht. Man sagt ja nicht umsonst, dass Torhüter und Linksaußen positiv verrückt sind", sagt Duffner. Er selbst würde sich jedenfalls so bezeichnen.