von Daniel Niebuhr (Delmenhorster Kreisblatt)
Wenn Bastian Fuhrken kein Träumer wäre, wäre der SV Atlas vermutlich nicht dort, wo er gerade ist – der Niedersachsenpokalsieger aus Delmenhorst spielt sieben Jahre nach seiner Wiedergründung und dem ersten Punktspiel in der 1. Kreisklasse bekanntlich am Samstag ab 20.45 Uhr im Weserstadion in der ersten DFB-Pokalrunde gegen Werder Bremen. Sportvorstand und Gründervater Fuhrken hat mit seinem Club schon so manches Wunder vollbracht, dennoch klang es etwas verwegen, als er zum Verkaufsstart der Tickets Anfang Juli erklärte: „Wir Delmenhorster müssen zusammenhalten und im Stadion präsent sein. Also lasst uns die Westkurve voll machen.“
Die knapp 9000 Fans, die dafür nötig wären, mobilisiert ein Fußball-Oberligist eher selten – dennoch ist Fuhrkens Appell offensichtlich erhört worden. Wie viele Delmenhorster genau in die Nachbarstadt reisen, ist nicht ganz sicher, klar ist aber: Es wird eine deutlich vierstellige Zahl sein. Allein bei den Nachbarvereinen wollen sich viele den Auftritt eines Clubs aus der Heimatstadt auf der großen Bühne nicht entgehen lassen. Mit den Oberliga-Spielern der HSG Delmenhorst wird zum Beispiel das Handball-Aushängeschild der Stadt auf der Tribüne sein.
Der TV Jahn, Heimatverein von Werder-Trainer Florian Kohfeldt, hat 400 Karten besorgt, die unter den Mitgliedern in 48 Stunden vergriffen waren. „Wir hätten viel mehr loswerden können. Dass ein Delmenhorster Verein im Weserstadion spielt, erlebt man höchstens einmal im Leben. Das ist ein einmaliges Szenario, das man als Delmenhorster einfach genießen sollte“, sagt Jahns Fußball-Abteilungsleiter Marco Castiglione. „Delmenhorst gewinnt auf jeden Fall – entweder durch Atlas oder durch Florian Kohfeldt.“
Beim Delmenhorster TB, über eine Jugendspielgemeinschaft mit Atlas verbunden, ist man ähnlich heiß, Abteilungsleiter Udo Sternberg rechnet ebenfalls mit knapp 400 Personen. „Das Interesse ist sehr groß. Die Oldies gehen zum Beispiel komplett hin. Das Spiel ist für uns schon wichtig.“
In großer Zahl und mit prominenter Unterstützung reist der Fanclub Blau-Gelb reloaded an – mit dabei sind etliche Atlas-Legenden, die 1981 bei Borussia Mönchengladbach das bisher letzte Spiel einer Delmenhorster Herrenmannschaft im DFB-Pokal mit 1:6 verloren. „Wir werden eine nette Reisegruppe“, glaubt Vorsitzender Bert Drewes, der vor 38 Jahren selbst im Bökelbergstadion zuschaute.
Auf dem Papier ist die Unterstützung für den Underdog also groß – wie geschlossen sie sein wird, wird sich aber erst am Samstagabend zeigen. Denn: Viele Delmenhorster sind Werder-Fans und wären über einen einen Atlas-Sieg und damit einen Ausrutscher des Bundesligisten eher wenig amüsiert. Selbst auf der Westtribüne, die größtenteils in Delmenhorster Hand ist, werden vermutlich viele aufspringen, wenn Werder trifft. „Machen wir uns nichts vor: Die meisten Delmenhorster im Weserstadion haben noch nie ein Heimspiel von Atlas besucht und werden es auch nie tun – es sei denn die Mannschaft schafft am Samstag Unmögliches“, sagt Drewes.
Castiglione berichtet aus seinem Verein – dem größten Fußball-Club der Stadt – ebenfalls von Gewissenskonflikten: „Die Frage war auch bei uns: Für wen sind wir eigentlich? Die Antwort ist ja klar: für beide.“ Deshalb ist er auch guter Hoffnung, dass der Jubel bei einem Atlas-Tor dennoch groß sein wird. „Viele werden es machen wie ich und einfach jedes Tor bejubeln. Ich würde es Atlas sehr wünschen, dass ihnen auch eines gelingt“, sagt er. „Das ist doch auch der Geist dieses Spiels. Es soll ein Fußballfest für beide Städte sein.“ Viele Jahner werden auch einfach in der eigenen Vereinsfarbe kommen – in lila.