Ein kurzer Weg

Gründerväter

Artikel vom 24. September 2019

 

von Timo Conrad

 

Als der SV Atlas 2012 auf der Bildfläche erschien, um das Fußballgeschäft in der 1. Kreisklasse wieder aufzunehmen, war der Traum von der Landesliga verankert. Im Jahr 2019, also sieben Jahre später, spielt der Verein in der Oberliga, gewann den Niedersachsenpokal und traf im DFB-Pokal auf Werder Bremen. Vor 41 500 Zuschauern unter Flutlicht und einem Millionenpublikum vor den Fernsehern. Der zweite Rekord in den Geschichtsbüchern des deutschen Fußballs. Ein kurzer, aber intensiver Weg von sieben Jahren von der 1. KK bis in den DFB-Pokal.

Ein Bild dabei bewegte viele Fans. Es zeigt Tammo Renken und Bastian Fuhrken auf dem Rasen bei der Ehrenrunde mit der Delmenhorster Stadtflagge. Wir haben nachgefragt, was dieses Bild den beiden Gründervätern bedeutet.

Tammo Renken: „Das Foto ist für mich das bildliche Highlight der „neuen“ Atlas-Geschichte. Ich war ja schon immer Lokal-Patriot und lasse auf unsere Stadt und die Leute auch nichts kommen. Schon früh habe ich mir Gedanken gemacht, wie man unsere 80 000-Einwohner-Stadt wieder dahin bringt, wo sie einmal war. Nicht nur die besten Spieler sollten sich in meinen Vorstellungen zusammenschließen, sondern auch die Delmenhorster selbst sollten vereinsübergreifend einen Verein haben, der die Stadtfarben landesweit vertritt und auf dessen Erfolge man auch außerhalb der Stadt stolz sein konnte. Deshalb hatte ich bei jedem Aufstieg oder größeren Erfolg immer meine Fahne dabei.

Erst kurz vor dem Werder-Spiel ist mir aufgefallen, dass ich Sie wohl von der letzten Feierlichkeit nicht wieder mit nach Hause bekommen hatte und musste schnell eine neue ordern. Ich hatte auch einen Teleskop-Stock in meiner Tasche um die Fahne zu schwenken. Ich schätze, so 10 Minuten vor Schluss, als über 10 000 Leute in der Westkurve durchgehend „SV Atlas Olé“ gesungen haben und ich mit Pipi in den Augen zu den Jungs gesagt habe: „Lasst uns aufstehen und mitmachen,“ fiel mir ein „Scheiße! Die Fahne“. Da bin ich zurück, an der Werderbank vorbei, durch die riesigen Katakomben, in die Kabine und habe die Fahne aus die Tasche gezogen und in die Hosentasche gestopft. Den Stock hatte ich natürlich vergessen, wäre damit aber wahrscheinlich von der Security geblockt worden.

Letztendlich hat sich der Gang aber richtig gelohnt, denn das Foto beschreibt so ziemlich die gesamte bisherige Geschichte. Basti, der von Anfang an bekloppt genug war an diese Idee zu glauben, das Ding mit mir durch gezogen hat und mittlerweile auch unabdingbar für den Verein geworden ist, hält mit mir die Fahne. Die vollbesetzte Ostkurve im Rücken und die Delmenhorst-Fahne im Vordergrund. Aber ich sehe auch etwas, was andere bei diesem Bild nicht sehen: Die über zehntausend Delmenhorster von jung bis alt, die gemeinsam singen und unsere Stadt und sich selbst feiern. Das war für mich das mit Abstand Allergrößte!“

Bastian Fuhrken: „Für mich ist es schwierig, meine Gedanken zu dem Bild zusammenzufassen, denn dann kommen auch gleich die nächsten Fragen auf: „Habe ich das alles verarbeitet, was kommt jetzt und was ist noch möglich?“ Ich habe keine Lust zu verwalten oder mich im Kreis zu drehen, ich muss ein Ziel vor Augen haben.

Eine Ehrenrunde vor über 40 000 Zuschauern mit Tammo, den ich schon ewig kenne, der einer meiner besten Freunde ist und vor über 10 Jahren mich von seiner Idee sofort überzeugen konnte, kann ich kaum beschreiben. Wir saßen 90 Minuten auf der Bank, die Wochen davor wurde immer über diesen Tag gesprochen, und doch wurden alle Erwartungen übertroffen. Für mich war diese Ehrenrunde mit der Mannschaft und vor allem mit Tammo der schönste Fußballmoment nach unserer Dokumentation im ausverkauften Kino. Unten auf dem Rasen zu stehen, in viele zufriedene Gesichter zu gucken, unsere Delmenhorster Jungs auf den Rängen zu hören, Familie und Freunde stehen auf der Tribüne und winken einem zu, viele Atlasmomente gehen einem dabei durch den Kopf, so richtig beschreiben kann man dieses unfassbare Gefühl gar nicht.

Wir wollten was bewegen. Viele Ideen gab es, aber so richtig angepackt hatte die Vision Leistungsfußball in Delmenhorst keiner bzw. war schnell wieder Geschichte. In den letzten Jahren haben wir viele Leute von unserer Vision überzeugen können und am 10.08.2019 wurde harte Arbeit in unfassbaren und unvergesslichen Momenten zurückgezahlt. Das hat mich für jeden einzelnen, der bei uns im Verein Zeit und Geld investiert hat, sehr gefreut. Die negativen Stimmen im Vorfeld zum Austragungsort, die ich auch absolut nachvollziehen kann, sind verstummt. Alle haben schnell bemerkt, wie groß das Zuschauerinteresse war. Im Nachhinein haben wir alles richtig gemacht und ich würde alles nochmal so planen. Das ist nach einigen Wochen Abstand doch die beste Erkenntnis.

Natürlich möchte ich solch ein Spiel in unserer Stadt austragen, aber das ist vorerst nur ein großer Traum. Es sollte nun der Anreiz sein, für bessere sportliche Strukturen zu sorgen. Vom Schulsport bis hin zum Leistungssport haben alle vernünftige Bedingungen in so einer großen Stadt verdient. Bisher wurde in unserer Stadt zu viel vernachlässigt. Dafür muss sehr zeitnah angepackt werden, da unsere Bedingungen katastrophal sind. Eine Berufsfeuerwehr würde unter diesen Bedingungen keinen Brand löschen, geschweige denn für ihre Fahrzeuge über eine positive TÜV-Abnahme der Fahrzeuge nachdenken.“