Der Tisch im Konferenzraum des Autohauses Toyota Engelbart war reichlich gedeckt. Es gab Kaffee und Kaltgetränke, Kekse und Süßigkeiten. Manfred Engelbart hatte die Presse für Mittwochmorgen eigentlich eingeladen, um über die kommende Jahreshauptversammlung des Vereins am Dienstag (19 Uhr) bei „Jan Harpstedt“ zu sprechen.
Doch statt seine vergangenen zehn Monate als Vorsitzender des SVA Revue passieren zu lassen und in die Zukunft des Sportvereins zu blicken, hatte Engelbart etwas zu verkünden, das am Mittwoch in der Fußballszene ein kleines Beben auslöste: Denn der Fußball-Oberligist hat sich am Dienstagabend um 18 Uhr kurz vor dem angedachten Training mit sofortiger Wirkung von seinem langjährigen Trainer Jürgen Hahn getrennt.
Es war eine Meldung mit einem riesengroßen Knalleffekt – und der Vorstand des SV Atlas hielt die Gründe für die Trennung des Erfolgstrainers nach fünfeinhalb Jahren eher in Allgemeinsätzen. Klubchef Engelbart sprach von „sichtbar gewordenen Abnutzungserscheinungen“ in der Zusammenarbeit zwischen der Mannschaft und Hahn. Die habe es nicht in den vergangenen Wochen, sondern gefühlt „an den vergangenen 30 Spieltagen“ gegeben. Es sei „ein schleichender Prozess“ gewesen, der zu der Trennung von Hahn geführt habe, erklärte Engelbart – „unabhängig vom Tabellenstand“.
Denn, nur die reinen Ergebnisse betrachtet, steht der SV Atlas drei Spiele vor der Winterpause sehr gut da. Die Mannschaft liegt nach vier ungeschlagenen Partien in der Tabelle auf Rang vier, ferner haben die Blau-Gelben das Halbfinale des Niedersachsenpokals erreicht. „Den richtigen Zeitpunkt für einen Trainerwechsel gibt es nie“, sagte Engelbart, der noch im März dieses Jahres den Vertrag mit Hahn bis 2019 verlängert hatte; mündlich sogar bis zum Ende der Saison 2020. Doch den Klubchef und Sportvorstand Bastian Fuhrken habe das Gefühl beschlichen, „dass wir neue Wege gehen müssen, um die nächste Stufe“ der sportlichen Entwicklung zu erklimmen.
Für Vorstand Fuhrken passten einige Dinge nicht mehr
Ob die aus Mannschaftskreisen verlautende mäßige Stimmung im Training und/oder der Unmut über das Stocken der spielerischen Entwicklung zur Trennung von Jürgen Hahn geführt habe, das wollte Vorstand Fuhrken nicht konkret beantworten. Nur so viel: „Es sind einige Dinge vorgefallen, die nicht gepasst haben.“
Nach einer guten Vorbereitung mit einer gewissen Euphorie habe es in einigen Bereichen Rückschritte gegeben. „Wir haben andere Sachen erwartet“, hielt Bastian Fuhrken fest und sprach vom „schwersten Gespräch“ in seiner Zeit beim SV Atlas, als er Trainer Hahn die Entlassung verkünden musste.
Jürgen Hahn überrascht und enttäuscht
Der 47-jährige wirkte am Morgen nach seiner Demission aufgeräumt, konnte seine Enttäuschung aber nur schwer verhehlen. „Sehr, sehr überrascht“, habe er die Trennung aufgenommen. Hahn wollte am Dienstag mit der Mannschaft eigentlich das erfolgreiche Spiel gegen Wunstorf (2:0) analysieren und sein Team auf den kommenden Gegner Heeslingen vorbereiten, als ihm das Aus verkündet wurde.
„Die Ergebnisse waren doch absolut positiv. Wir hatten einen guten Lauf“, schüttelte Hahn den Kopf. Sportlich und fachlich habe die Zusammenarbeit mit der Mannschaft funktioniert. Platz vier in der Liga, nur noch zwei Siege vom DFB-Pokal entfernt – er wüsste nicht, was er sich sportlich vorwerfen lassen müsse. „Wir haben auch schwierige Zeiten gut überstanden“, sagte Hahn mit Blick auf den erfolgreichen Oberliga-Abstiegskampf im Frühjahr.
Hahn sieht keine Abnutzungserscheinungen
Auch den Vorwurf der „Abnutzungserscheinungen“ wollte Hahn nicht gelten lassen. „Wir hatten mit der Mannschaft ein gutes Miteinander.“ Nach dem Umbruch im Sommer (zehn Abgänge, acht Neuzugänge) sei seine Truppe auf einem guten Weg gewesen. Auch die Reaktionen der Spieler am Dienstagabend und Mittwochmorgen hätten ihm noch einmal verdeutlicht, „dass es menschlich passt“.
Im Gegensatz zu Hahn wurde dessen Co-Trainer Marco Büsing nicht von seinen vertraglichen Aufgaben freigestellt. Was Hahn „schon ein bisschen komisch“ fand: „Normalerweise wird doch das ganze Trainer-Team entlassen.“ Büsing und Hahn sind sehr gute Kumpels und arbeiten seit Jahren erfolgreich zusammen. Erst beim VfB Oldenburg II und seit Sommer 2013 beim SV Atlas. Gemeinsam führte das Erfolgsduo den wieder zum Leben erweckten Kultklub innerhalb von vier Jahren von der Kreisliga in die Oberliga.
Trainer-Trio übernimmt bis zum Winter
Wie es mit Marco Büsing beim SV Atlas weitergeht, steht noch nicht fest. Der geschockte Wardenburger wollte sich nicht zu der Entlassung seines Trauzeugen Hahn äußern und hat sich nach einem langen Gespräch mit dem Sportvorstand Fuhrken Bedenkzeit erbeten. Für die kommenden drei Spiele bis zur Winterpause in Heeslingen, gegen den FC Hagen/Uthlede und bei Borussia Hildesheim werden Team-Manager Benno Urbainski und Fuhrken die Mannschaft betreuen. Unterstützt werden sie vom Zweite-Herren-Trainer Daniel von Seggern.
In der Zwischenzeit dürften sich die Atlas-Verantwortlichen dann mit Hochdruck auf die Suche nach einem neuen Trainer begeben. Mit den potenziellen Kandidaten dürfte der Vorstand dann garantiert über das Thema Regionalliga sprechen. „Das ist ein harter, steiniger Weg“, sagt Engelbart. „Aber die Regionalliga ist unser aller Ziel.“ Start für die Vorbereitung in den zweiten Saisonteil ist am 21. Januar.
Ich habe noch keinen Plan, wie es weitergeht. Ich habe Atlas gelebt. (Jürgen Hahn)
Dann zum ersten Mal nach fünf Jahren ohne Jürgen Hahn. Bei aller Enttäuschung darüber, dass er zum ersten Mal als Spieler oder Trainer seinen Vertrag nicht erfüllen wird, blickt Jürgen Hahn dennoch positiv auf seine Zeit beim SV Atlas zurück. „Ich kann jetzt nicht sagen: Ich find‘ Atlas doof.“ Es sei eine „erlebnisreiche Zeit mit tollen Erfolgen und tollen Weggefährten“ gewesen. „Ich war ein Teil der Geschichte.“ Ein sehr großer sogar.