Ein Bericht vom
von Daniel Niebuhr / Titelbild: André Klattenhoff
Zu den Vorzügen als norddeutscher Regionalligaspieler gehört es, einige exklusive Ziele bereisen zu dürfen, die man als Amateurfußballer in dieser Vielfalt sonst nicht zu sehen bekommt. Lübeck, Flensburg, die Hamburger Szenestadtteile Altona und St. Pauli sind dabei und nicht zuletzt auch Jeddeloh und Havelse, wenn man es beschaulich mag. Die Fußballer des SV Atlas hatten sich wegen der Teilung der Liga in zwei Staffeln schon damit abgefunden, dass ihnen einige Destinationen entgehen – nun sieht es aber so aus, als würden sie Hamburg und Schleswig-Holstein überhaupt nicht mehr zu Gesicht bekommen.
In der Debatte um den richtigen Modus für einen Neustart hat der Norddeutsche Fußball-Verband jedenfalls einen neuen Favoriten, der zumindest den Delmenhorstern bekannt vorkommt. Laut Staffelleiter Jürgen Stebani sei momentan die wahrscheinlichste Variante, in den Elfer-Vorrunden doch jeden zweimal gegen jeden anderen spielen zu lassen – und die geplante Meister- und Abstiegsrunde abzublasen. Atlas würde dann nur gegen Gegner aus Niedersachsen und Bremen spielen. Der Verein hatte das gemeinsam mit einigen anderen schon im Dezember vorgeschlagen, war aber relativ rüde abgebügelt worden. „Eine verbale Schelle“ habe man sich für den Vorstoß eingefangen, wie Leistungsfußball-Leiter Bastian Fuhrken sich erinnert.
Damals hatte man aber noch Hoffnungen gehabt, schon bald wieder spielen zu können, inzwischen sind seit der letzten Regionalliga-Partie aber schon 121 Tage vergangen, und es werden sicher noch einige mehr. Sollte sich der neue Plan des Verbandes umsetzen lassen, kämen alle Clubs am Ende auf 20 Spiele, zwei Teams aus jeder Staffel steigen mindestens ab, es könnten auch drei werden. Bis zum sicheren rettenden Ufer fehlen dem sieglosen Süd-Schlusslicht Atlas neun Punkte, allerdings hat der Achte VfV Hildesheim auch zwei Spiele mehr absolviert. Ein Vorteil für Atlas: Die beiden einzigen Punkte aus dem 0:0 bei Werder Bremen II und dem 1:1 gegen den BSV Rehden bleiben auf dem Konto, in einer Abstiegsrunde wären sie gestrichen worden.
Am 8. März werden die 22 Regionalligisten mit dem Verband wieder telefonisch über die Beschlüsse der am Mittwoch debattierenden Konferenz von Bund und Ländern beraten. „Danach haben wir vielleicht neue Möglichkeiten“, sagt Stebani. Dass der Verband das böse A-Wort vom Abbruch nicht hören möchte, hat er nun noch einmal wiederholt – und den Vereinen, die eine Annullierung wollen, egoistische Interessen unterstellt. „Die Korrelation von Tabellenplatz und Haltung ist verblüffend“, sagt er zu den „wenig hilfreichen“ Forderungen nach einem Abbruch.
Atlas muss sich da nicht angesprochen fühlen. Dass der Neuling von einem Abbruch ohne Absteiger profitieren würde, liegt zwar schon durch die Platzierung auf der Hand, dennoch hat der Club mehrfach wiederholt, die Entscheidung darüber auf dem Platz suchen zu wollen. „Wir haben noch kein einziges Mal einen Abbruch gefordert“, sagt Fuhrken. Was sich aber ändern könnte, denn die Zeit wird immer knapper, wie auch Stebani bekennt: „Mit jeder Woche ohne Spiel und Training wird es natürlich enger.“
Eine Deadline für den spätestmöglichen Wiedereinstieg gibt es aber immer noch nicht. Fuhrken hat in seinen Gedankenspielen schon ein Datum im Auge. Anfang April müsse es über Ostern schon wieder losgehen, „sonst sehe ich schwarz“. Allein der Kalender gibt ihm Recht: Selbst wenn man bis Mitte Juni spielen könnte, was wegen der Aufstiegsduelle des Ersten aus der Regionalliga Bayern mit dem Nordmeister (der wiederum in vorherigen Entscheidungsspielen zwischen den Staffelsiegern ermittelt werden müsste) schwer umsetzbar scheint, hätte man von Ostern an nur noch elf Wochen. Atlas würden aber noch 13 Spiele fehlen. Da das Coronavirus auch Regionalligafußballer befällt, wie nicht zuletzt die Infektionen bei Atlas bewiesen haben, kann es jederzeit dazu kommen, dass Teams in Quarantäne müssen. Außerdem seien die benötigten englischen Wochen „nicht so leicht zu realisieren“, wie Fuhrken mahnt. Seitdem die Regionalliga in Deutschland vor neun Jahren fünfgleisig geworden ist, hat es übrigens noch nie ein Spiel im Juni gegeben.
Mit offiziellen Forderungen nach einem Abbruch halten sich die Vereine bisher zurück. Doch die Stimmung könnte kippen, wenn sich abzeichnet, dass auch die geplanten 20 Spieltage außer Sicht geraten. In der Vorsaison 2019/20 hatte man auf Absteiger verzichtet, unter anderem blieb Schlusslicht HSC Hannover mit 24 ausgetragenen Spielen in der Liga. Diese Zahl ist bereits utopisch, auf die angestrebten 20 Partien würde er aber mindestens hoffen, sagt Fuhrken: „Wenn es viel weniger werden, ist es irgendwann nicht mehr gerecht. Wir haben aber immer gesagt, dass wir es nehmen, wie es kommt. Wir hoffen, dass es fair zugeht.“