Coach Jürgen Hahn klatschte seine Jungs zufrieden ab, Marco Büsing herzte Thomas Mutlu und auch die Spieler verließen erschöpft, aber mit einem Lächeln im Gesicht den Platz: Es bedurfte am Sonntag um kurz vor 16 Uhr am südlichen Zipfel des Emslandes keines allzu großen Interpretationsvermögens, um zu erkennen, wie der SV Atlas Delmenhorst sein Auswärtsspiel beim SC Spelle-Venhaus bewertete – nämlich positiv. Am Ende einer kräftezehrenden Woche mit drei Spielen in neun Tagen erkämpfte sich der SVA ein 1:1 (0:0). Damit fiel Atlas in der Tabelle zwar auf Rang sieben zurück. Auf den Dritten TuS Bersenbrück hat Atlas aber auch nur drei Zähler Rückstand.
War das fünfte Remis der Saison nun verdient? Oder doch eher glücklich? Jürgen Hahn musste nicht lange überlegen: „Es war verdient und glücklich“, lächelte Hahn und lag mit seiner Beurteilung richtig. Glücklich war das 1:1, weil Spelle-Venhaus das 2:0 hätte machen müssen. Verdient war das 1:1 aber auch, weil Atlas nach dem Rückstand mit „Einstellung und Moral“ (Hahn) überzeugte und selbst sogar den Siegtreffer auf dem Fuß hatte. Der Atlas-Trainer bilanzierte daher: „Das war ein wertvoller Punkt gegen eine ganz starke Mannschaft. Spelle hat richtig Qualität.“
Denn der SCSV, der im Vorjahr lange um den Titel mitspielte, hat sich nach seinem Stotterstart in die Saison wieder gefangen. 13 seiner aktuell 15 Punkte holte das Ex-Schlusslicht in den vergangenen sieben Partien. Spelle-Venhaus war bissig in den Zweikämpfen und brandgefährlich im Spiel nach vorne, weshalb Atlas in der Abwehr Schwerstarbeit verrichten musste. Ausgleichstorschütze Musa Karli hielt treffend fest: „Wir nehmen diesen Punkt gerne mit. Wir sind aber auch für unseren Kampf belohnt worden.“
Spelles Trainer Hanjo Vocks war vom Ergebnis dagegen enttäuscht. „Ich glaube, dieses Unentschieden ist viel zu wenig für uns. Wir haben zwei Punkte verloren.“ Andererseits habe man trotz aller Enttäuschung ein gutes Spiel gemacht und in der zweiten Halbzeit eine Steigerung im Spielaufbau gezeigt.
Achtung, Grätsche im Anflug: Tom Schmidt und der Speller Torben Stegemann im Zweikampf. Foto: Schröer
546 Zuschauer im Getränke-Hoffmann-Stadion sahen eine flotte Anfangsphase, in der beide Mannschaften viel Tempo machten. Bei einer Doppelchance für die Platzherren verhinderte Torwart Florian Urbainski mit zwei Paraden einen frühen Rückstand (4.). Mit zunehmender Spieldauer bekam Atlas das Geschehen dann in den Griff und hatte leichte Feldvorteile. „Wir haben das gut gemacht in der ersten Halbzeit“, fand Hahn. Zur Wahrheit gehörte aber auch, dass die Gäste in den ersten 45 Minuten keinen Schuss auf das Speller Tor abgaben. Die aussichtsreichste Möglichkeit vertändelte der später wegen Oberschenkelproblemen ausgewechselte Marco Prießner bei einem 3:1-Überzahlkonter mit einem schlampigen Abspiel (26.). „Das müssen wir besser ausspielen“, erklärte Hahn.
Kurz davor war die Partie von Schiedsrichter Kevin Behrens (Hasede) für drei Minuten unterbrochen worden. Der Grund war ein Bierbecherwurf eines Block-H-Mitglieds gegen den Schiedsrichterassistenten nach einer Abseitsentscheidung gegen die Gäste. Der Delmenhorster verließ das Stadion. Fünf Ordner wachten daraufhin neben den Block-H-Anhängern. Nachdem im Vorjahr Chaoten der Fangruppierung eine Rangelei angezettelt hatten, blieb es ansonsten aber ruhig – und es wurde auch weiterhin Fußball gespielt.
Spelle verpasst den Knockout
Den besseren Start in die zweite Hälfte erwischten wieder die Gastgeber. Nachdem Urbainski einen Schuss von Merlin Schütte zur Ecke abgewehrt hatte (51.), lag Delmenhorst nach dem folgenden Eckball mit 0:1 hinten. Erst parierte Keeper Urbainski einen Schuss aus dem Rückraum prächtig, den Abpraller köpfte aber Yannic Suchanke ein (52.). Und Spelle drückte weiter. Simon Schäfer hätte freistehend aus sechs Metern das 2:0 machen müssen (64.), Moritz Waldow machen können (75.). „Wir können uns bedanken, dass Spelle uns da nicht den K.o.-Schlag verpasst“, fand Co-Trainer Marco Büsing.
Doch Atlas schwamm sich wieder frei. Der eingewechselte Marvin Osei brachte Schwung. Und mit dem ersten Schuss auf das Speller Tor glich Atlas aus. Eine Freistoßflanke von Musa Karli aus dem Halbfeld segelte an allen Spielern und Torwart Bernd Düker vorbei ins Eck (82.). Spelles Trainer Vocks ärgerte sich: „Bis zu dem Tor hat Bernd Düker keinen einzigen Ball halten müssen.“ Hahn sagte dagegen: „Unsere Standards sind eben auch eine Waffe.“ Es war bereits der sechste Treffer nach ruhenden Bällen (ohne Elfmeter) für Atlas in Pokal und Liga.
Gute Chancen für Karli und Hein
Und Atlas hatte nach dem Ausgleich sogar zwei Mal den Siegtreffer auf dem Fuß. Direkt nach dem 1:1 lief Karli allein auf den früheren U20-Nationaltorwart Düker zu, schoss aber über das Tor (83.). „Den muss ich machen- Allerdings ist der Ball auch vorher aufgesprungen“, sagte Karli. Und auch Thade Hein scheiterte mit einem Alleingang, den Düker parierte (89.).
Zu sehr ärgern wollte sich Hahn über die vergebenen Chancen indes nicht. „Wir gehen mit kleinen Schritten in die richtige Richtung.“ Im Vorjahr stand Atlas nach einer guten Leistung beim 1:2 mit leeren Händen da, jetzt nahm der SVA zumindest einen Punkt mit.