von Daniel Niebuhr
Dass der Clubchef während des Spiels mit dem Delmenhorster Ordnungsamt telefoniert, passiert auch beim SV Atlas nicht jede Woche, doch besondere Ereignisse verlangen eben besondere Maßnahmen. Die erste Oberligapartie des Jahres gegen Arminia Hannover lief am Sonntag schon längst, als Manfred Engelbart per Handy die Behörden angesichts des für den Abend angekündigten Orkans beruhigen musste; um 16 Uhr sei man raus aus dem Stadion, versicherte der Atlas-Vorsitzende. Anderthalb Stunden später waren tatsächlich sämtliche 750 durchgewehten Schaulustigen auf dem Heimweg; als Engelbart als einer der Letzten ging, hatte er ein breites Grinsen auf dem Gesicht: Das Delmenhorster 2:1 (1:0) gegen einen zähen Gegner sorgte für Erleichterung beim Anhang und den Verantwortlichen.
Keiner war so richtig sicher gewesen, welche Mannschaft es zum Auftakt des richtungsweisenden zweiten Saisonteils zu sehen geben würde. Der Tabellenzweite hatte mit 17 Spielen ohne Niederlage erst Aufstiegshoffnungen geweckt, vor der Winterpause aber zweimal nach mangelhaften Leistungen verdient verloren – und dann ging es zum Auftakt 2020 bei schweren Bedingungen mit Hannover auch noch gegen einen Verein, den seit 25 Jahren keine Delmenhorster Mannschaft mehr bezwungen hatte. Nach dem Spiel wirkte nicht nur Engelbart, sondern auch Sportchef und Geburtstagskind Bastian Fuhrken gelöst; der einzige, der offenbar keine Zweifel gehabt hatte, war Trainer Key Riebau. „Ich wusste nicht, wie viel spielerisch bei dem Wind gehen würde“, sagte er. „Aber ich wusste, dass wir Qualität im Kader haben.“
Und die hat der Verein im Winter offensichtlich noch einmal erhöht. Die Neuzugänge Flodyn Baloki und Aleksandar Jankovic standen in der Startelf und boten beide auf ihre Weise ein famoses Debüt. Baloki setzte in einer durch die Umstände zwangsläufig kampfbetonten Partie im Mittelfeld mit Zweikampfstärke und Übersicht Zeichen – und Jankovic zeigte, dass er eine neue Attraktion in Delmenhorst werden könnte. Er war dank seiner Technik und Ballsicherheit von Anfang an der auffälligste Spieler und schoss in der 44. Minute deshalb auch verdientermaßen das erste Tor. Bis dahin hatte der Ball die Strafräume konsequent gemieden, dann aber schickte Marco Prießner Rechtsverteidiger Oliver Rauh auf die Reise, Musa Karli traf dessen Flanke in der Mitte zwar nicht richtig, hinter ihm lauerte aber Jankovic und schob cool ein. „Dieses Tor war für uns natürlich Gold wert“, sagte Riebau und befand: „Unsere beiden Neuen haben es hervorragend gemacht.“
Seine Mannschaft hatte im zweiten Durchgang den Wind im Rücken und war sofort deutlich überlegen. Jankovic brauchte knapp drei Minuten, um die Herzen der Fans mit einem Geniestreich endgültig zu gewinnen. Er überlupfte von Rechtsaußen Arminia-Torwart Dominik Grimpe, der zwar noch dran war, der Wind gab dem Ball jedoch die letzte nötige Unterstützung, um zum 2:0 über die Linie zu springen.
Arminia fiel danach durch Frustaktionen auf. Ebrahim Farahnak hätte nach einem Schubser gegen Prießner in der 59. Minute auch eine andere Farbe als Gelb sehen können. Dennoch konnte man in der Folge erahnen, warum Atlas gegen die Hannoveraner keines der bisherigen fünf Duelle gewinnen konnte – denn die Gäste kamen in der 66. Minute wie aus dem Nichts zurück ins Spiel. Nach einem langen Schlag von Frederik Bormann von der Mittellinie funktionierte bei Atlas die Abseitsfalle nicht. Der Ball war eigentlich zu lang, wurde jedoch vom Wind etwas ausgebremst, Keeper Florian Urbainski war beim Herauslaufen unsicher und stand dann nicht gut genug, um den Schuss von Abdulmalik Abdul zu parieren. „Das ist ein ekliges Ding. Da kannst du nur schlecht aussehen“, meinte Urbainski.
Beim 1:1 im Hinspiel hatte Atlas den Ausgleich in der Nachspielzeit kassiert, dieses Mal waren die Delmenhorster schlauer. Sie unterbanden konsequent Hannovers Gegenangriffe – gelegentlich auch mit taktischen Fouls – und spielten selbst weiter nach vorn. Die größte der zahlreichen Konterchancen hatte Karli, der von Baloki den Ball vor das leere Tor serviert bekam, nach missglückter Ballannahme aber nur den Pfosten traf. Es blieb eine Randnotiz, denn Arminia hatte keine Großchance mehr. „So muss man erst einmal ins Jahr starten, das gibt Sicherheit“, sagte Kapitän Nick Köster. Zumindest hat Atlas sich bei der ersten Bewährungsprobe als sturmfest erwiesen, Relegationsplatz zwei wird man nicht kampflos hergeben. Riebau meinte: „Wir haben es souverän gemacht. Es ist nicht leicht, wenn dir immer so ein starker Wind um die Nase fegt.“
Was auch für die Organisation galt. Atlas hatte aus Sicherheitsgründen auf viele Werbebanden verzichtet und holte in der Halbzeit auch die vom Sturm lädierten Delmenhorst-Fahnen ein. Durchziehen wollte man die Partie, übrigens die früheste im Jahr auf dem Hauptplatz seit zwölf Jahren, aber in jedem Fall, „sonst läufst du das halbe Jahr deinen Nachholspielen hinterher“, wie Fuhrken erklärte.
Startelf: Urbainski, Plendiskis, Köster, Baloki, Priessner, Karli, Janssen, Harings, Rauh, Siech, Jankovic.
Ersatzbank: Göretzlehner, Plichta, Vollmer, Mjeshtri, Osei
Titelbild: Rolf Tobis
Bildergalerie: André Klattenhoff und BGR
Video: Atlas Fan-TV
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SV Arminia Hannover
Oberliga Niedersachsen · 21. Spieltag