Zu den Dingen, die die wenigsten über Jürgen Hahn wissen, gehören die sieben Länderspiele, in denen er Deutschland einst vertreten durfte. Vier Einsätze in der Studenten-Nationalmannschaft sind überliefert, drei in der Auswahl der Bundeswehr – der ehemalige Torwart strebte schon zu aktiver Zeit nach Bestleistungen. In seiner Trainer-Karriere ist dieses lobenswerte Laster nur schlimmer geworden: Die 106 Ligasiege, die er als Delmenhorster Coach in seiner bisher etwas mehr als fünfjährigen Amtszeit gesammelt hat, sind in der Geschichte des Clubs sowohl vor als auch nach der Insolvenz unerreicht. Der 107. ist für Samstag – im Spiel gegen den MTV Gifhorn ab 16 Uhr – mal vorsichtig eingeplant.
Manche Bestwerte ergeben sich da ganz nebenbei, ohne dass er es darauf angelegt hätte. In der aktuellen Fußball-Oberliga ist Hahn zum Beispiel der Tausch-König, denn kein Trainer-Kollege hat bisher öfter gewechselt als er – 27 Mal, um genau zu sein, was bei neun Partien auch das Maximum ist. In einer Hinsicht ist das seltsam, denn Hahn ist gleichzeitig zumindest statistisch der größte Rotations-Muffel in Niedersachsens Eliteklasse. In dieser Saison hat kein Verein auch nur annähernd so wenige Spieler eingesetzt wie Atlas, ganze 18 sind es bisher – das Ein-Minuten-Debüt von Neuzugang Keisuke Morikami schon mitgerechnet.
Hahn freut sich über Konstanz im Kader
Fragt man Hahn zu dieser Zahl, so sieht der 47-Jährige erfreut eine „gewisse Konstanz“ im Kader bestätigt. „Wir ändern zwar häufig die Startformation und die Ausrichtung. Aber diese Zahl zeigt auch, dass wir etwas richtig gemacht haben. Sonst würde etwas nicht stimmen.“ Etwa weil der Kader nicht gut zusammengestellt worden sei oder weil es viele Verletzte gebe.
Im Gegensatz zur Vorsaison sind schlimmere Verletzungen bisher ausgeblieben, Hahns harter Kern ist auch hart im Nehmen. Mittelstürmer Marco Prießner zwickt ab und zu die Leiste und Linksfuß Leon Lingerski plagt sich mit Adduktorenproblemen herum. Die Grippe lässt sich auch mal in Delmenhorst blicken, weshalb weiterhin Patrick Degen und nun auch Stefan Bruns am Samstag ausfallen werden. Ansonsten lebt man als Atlas-Spieler in dieser Saison relativ ungefährlich. Von Sperren verschonte die Mannschaft sich bisher auch, nach den fünf Platzverweisen der Vorsaison gab es bis jetzt noch keine einzige Hinausstellung.
Schon zwölf Spieler haben getroffen
Die Eingespieltheit ist eine der großen Delmenhorster Stärken, jeder weiß in Hahns System, was seine Aufgabe ist. Und jeder hat schon seinen Wert für das Team nachgewiesen. „Jeder Spieler ist eine Option“, betont Hahn. Von den 17 eingesetzten Feldspielern haben schon zwölf getroffen, mit Abstand die meisten unter den Oberliga-Clubs – beim SC Spelle-Venhaus sind es zum Beispiel nur vier. Atlas hat mehr Torschützen vorzuweisen als Regionalliga-Absteiger Hildesheim Tore.
Die Anti-Rotation könnte aber noch zum Bumerang werden, wenn sich doch die branchenüblichen Wehwehchen einstellen. Denn hinter dem Stamm wird die personelle Luft deutlich dünner. Im Angriff wäre Veteran Dominik Entelmann eine Not-Option, Steven Müller-Rautenberg hat seit seinem Startelf-Einsatz am ersten Spieltag noch ganze 31 Minuten gespielt. Hinten stünde Mark Spohler zur Verfügung, ebenso wie Entelmann hat er seit Sommer nur in der Kreisliga für die zweite Mannschaft gespielt.
Gifhorns Trainer Spies hält Bundesliga-Rekord
Übrigens reicht Hahn – auch mit sieben Länderspielen – heute nicht an seinen Gegenüber heran. Gifhorn wird (nach der Trennung vom Delmenhorster Uwe Erkenbrecher nach der Vorsaison) von Michael Spies trainiert, der sogar einen Bundesliga-Rekord hält: Er hat dort für sieben verschiedene Vereine getroffen. Dem MTV droht auch mit Promi-Trainer wieder der Abstiegskampf, auch wenn sich der Club mit zehn Zählern aus neun Partien inzwischen gefangen hat.
„Wir dürfen Gifhorn nicht unterschätzen“, blickt Hahn unter anderem auf das 2:2 gegen Tabellenführer HSC Hannover. Dem Atlas-Trainer gefällt der Fußball-Stil des fairsten Liga-Teams: „Sie versuchen, alles spielerisch zu lösen. Und sie haben eine gute Ordnung.“
Vorsicht vor Luczkiewicz
Die interessanteste Personalie ist vielleicht Marvin Luczkiewicz, der mit fünf Treffern die meisten Tore geschossen und eine spannende Vorgeschichte hat. 2016 erklärte er beim Braunschweiger Landesligisten BSV Ölper nach Streitigkeiten seinen Rücktritt per Whatsapp, was im Nachhinein Gifhorns Glück war. Luczkiewicz erzielte im Saisonendspurt wichtige Tore, zwei davon beim 2:2 im letzten Gifhorner Gastspiel in Delmenhorst im April. „Ein sehr gefährlicher Stürmer“, warnt Hahn.
Die aktuelle Stadionzeitung zum Spiel gegen den MTV Gifhorn jetzt sofort online lesen