Seltenes Konstrukt im Amateurfußball

Seltenes Konstrukt im Amateurfußball

10.03.2019

Berater Stefan Keller im Interview mit dem Weser-Kurier

 

von Nico Nadig (Weser-Kurier)

Titelbild: Ingo Möllers

 

Seit kurzer Zeit ist Stefan Keller als Berater für den SV Atlas tätig. Was sind seine Aufgaben und wie kam es überhaupt zu dem Engagement? Im Interview spricht er darüber.

Herr Keller, auf der letzten Jahreshauptversammlung des SVA verkündete Präsident Manfred Engelbart, dass sie fortan als Berater fungieren werden. Wie kam es zu diesem Engagement? 

Stefan Keller: Als ich bei Tur Abdin fertig war, fragte Atlas erstmals an. Weil ich früher bei Atlas gespielt und als Delmenhorster auch die Nähe habe, fragte der Verein, wie er mich einbinden könnte. Zeitlich war das damals für mich problematisch. Aber ich meinte, dass wir uns ja mal austauschen könnten, wie ich Fußball sehe. Also habe ich eine sechsseitige Präsentation erstellt, die ich bei einer Vorstandssitzung, damals war Jörg Borkus noch Präsident, vorgestellt habe. Die hat etwa 30 Minuten gedauert. Ich habe den Verein aus meiner semiprofessionellen Brille skizziert: den Kader, handelnde Personen und das äußere Erscheinungsbild. Den Trainer habe ich damals aber nicht bewertet, weil ich ihn nicht persönliche kenne und nicht weiß, wie er Ansprachen und so weiter hält. Von außen sollte man sehr vorsichtig sein, Trainer zu beurteilen. Deshalb habe ich das ausgespart.

Wie ist Ihre Präsentation von den Anwesenden aufgenommen worden?

Alle waren erst mal ruhig, und ich habe mich entschuldigt, falls ich jemanden zu Nahe getreten war. Die Verantwortlichen meinten dann aber, dass sie einfach eingenommen sind, weil ich den Verein zu 98 Prozent exakt skizziert und aufgezeigt hätte, woran er noch arbeiten müsse.

Trotzdem hat es danach noch gedauert, bis Sie offiziell in den Verein eingebunden wurden. 

Nach dieser Sitzung haben die Verantwortlichen gesagt, dass wir zusammenarbeiten müssten. Es musste aber irgendwas ausschließlich mit dem Leistungsfußball sein. Damals wusste Atlas noch nicht, wie es mich integrieren soll. Daraufhin habe ich gesagt, dass wir uns in einem halben Jahr ja wieder treffen können. Tatsächlich haben wir uns dann schon wieder nach zwei, drei Monaten zusammengesetzt, hatten aber noch immer kein Konstrukt gefunden. Und dann hatte ich mit Manfred Engelbart ein Gespräch, weil er meinte, dass mein Name nun öfter gefallen sei. Also haben wir diese Idee kreiert. Die gibt es so im Amateurfußball, glaube ich, nicht oft. Ich habe volles Informations- und Mitspracherecht. Bastian Fuhrken (Leiter Leistungsfußball; Anmerk. der Red.) ist dabei natürlich sportlich verantwortlich, aber ich zeige Perspektiven aus dem höherklassigen Fußball auf oder gebe Hinweise.

Herr Engelbart hat durchblicken lassen, dass er Sie auch schon vorher in anderen Funktionen haben wollte. Warum hat das nicht geklappt? 

Da gab es ja dieses Zitat: „Vorstand wollte er nicht, Sportvorstand wollte er nicht und auch Trainer wollte er nicht.“ Das stimmt so schon. Wir bewegen uns schrittweise aufeinander zu. Ich muss erst mal den Verein verstehen, und die Vereinsführung muss mich auch erst mal verstehen. Ich sehe natürlich auch, wie viel Zeit viele Personen investieren. Alle reden immer von Engelbart und Fuhrken, aber es gibt auch noch ganz viele andere. Ich muss betonen, dass es beachtlich ist, mit wie viel Leidenschaft und Intensität hier gearbeitet wird – das trifft natürlich auch auf andere Vereine zu. Letztlich würde Engelbart gerne sehen, dass ich mehr Verantwortung übernehme, aber die Führung macht das wirklich toll. In einem halben Jahr oder Jahr könnte man darüber nochmals reden. 

Wie muss man sich Ihre aktuelle Beratertätigkeit überhaupt vorstellen? 

Es gibt natürlich automatisch vorgegebene Themenkomplexe, und zurzeit stehen wir fast täglich im Kontakt. Wie behandelt man Sponsoren, ist eine Frage. Oder auch die Kaderplanung. Und in die Trainersuche war ich auch eingebunden. Da ging es darum, wie das Profil ausschauen soll und wie man die Gespräche durchführt: Was für Fragen stellt man einem Trainer? Und vielleicht auch mal andere, um das Profil abzurunden. Nach dem Northeim-Spiel habe ich mir im Training beispielsweise auch die Analyse von Olaf Blancke vor der Mannschaft angehört. Die fand ich super, weil sie im Dialog war. Blancke weiß aber auch genau, welche Position ich habe. Ich werde mich jetzt nicht neben ihn stellen, um zwei Sachen in den Block zu zitieren. Da fängt Professionalität für mich an. Es soll nie so wahrgenommen werden, dass der Keller die Aufmerksamkeit braucht.

Ganz salopp gefragt: Was qualifiziert Sie überhaupt zum Berater?

Ohne ins Detail zu gehen, rein beruflich habe ich mit Organisation und Managen relativ viel zu tun – auch im größeren Umfang. Außerdem habe ich höherklassig Fußball gespielt und noch einige Kontakte. Ich habe so Einblicke in Teams, die höher spielen. Letztendlich haben Engelbart und der Vorstand das als richtig empfunden. Ich habe mich ja nicht selber ernannt (lacht).

Stellen Sie auch Spieler vor oder geht es mehr um die generelle Organisation? 

Die Bewertung des Kaders gehört auch dazu. Und wenn ich Kontakte habe und es die Möglichkeit gibt, dann bringe ich auch mal mögliche Neuzugänge mit in die Diskussion ein – oder schaue mir auch mal einen an. Ob ein Spieler verpflichtet wird, entscheiden aber letztendlich Fuhrken und der Trainer. So muss das auch sein. Ich gebe nur einen Rat und sage meine Meinung. Ansonsten sitzen wir zusammen und versuchen, den Leistungsfußball strukturiert weiterzuentwickeln. Wir reden über mögliche Trainingslager oder überlegen uns, wie man eine Spielphilosophie entwickelt und wie der Kader dafür ausschauen muss. Dabei muss man sich immer fragen: Was ist realistisch? 

In letzter Zeit ist häufig das Wort Regionalliga gefallen. Wie realistisch betrachten Sie das? 

Ich bin die personifizierte Bremse zur Regionalliga (lacht). Wir sind erst im zweiten Jahr in der Oberliga. Außerdem sind da die Voraussetzungen wie finanzielle Aufwendungen, Statuten und Kaderinvestitionen. Nimmt man all das zusammen, dann muss man sagen, dass Atlas darauf noch nicht vollends vorbereitet ist. Wenn es in diese Liga gehen soll, dann solide und fundiert. Um akzeptabel mitzuspielen, müssen weitere Gelder akquiriert werden. Und mit akzeptabel ist alles ab Platz zehn abwärts gemeint, über Rang neun und besser muss man sich gar keine Gedanken machen. Man muss auch im Auge haben, was Atlas aufgebaut hat, das sollte man nicht kurzfristig opfern. Eine Regionalligasaison, in der man sportlich dann ganz schwach abzuschneidet, kann einen Verein kaputtmachen. Als ich hier angefangen habe, sagte ich auch sofort, dass mich die Tabelle nicht interessiert. Ich schaue nur auf die Punktespalte, und da ist der Abstand zur Abstiegsregion überschaubar. Und wir wissen beispielsweise aus der Bundesliga, dass Teams aus der unteren Hälfte irgendwann das Punkten anfangen.

Die Oberliga ist ja ohnehin erst mal interessant genug. 

Man muss jetzt ja auch mal schauen, wer aus der Regionalliga absteigt. Das sind alles Klubs aus Niedersachsen. Die nächste Saison wird total attraktiv, wohl sogar attraktiver als die Regionalliga. Die Strahlkraft des SV Atlas ist in der oberen Hälfte nicht minder als in der unteren der Regionalliga. Diese kann ohnehin nur das Ergebnis von etwas sein. Der Kader, der Verein müssen sich entwickeln und auf einem sicheren Fundament stehen. Diese Saison sollte einfach gut zu Ende gespielt werden, ohne dass Atlas was mit dem Abstiegskampf zu tun hat. Und dann besteht noch die Möglichkeit, ins Pokalfinale einzuziehen. 

Wie nah sind Sie eigentlich an der Mannschaft dran? Agieren sie mehr aus dem Hintergrund oder sind Sie immer vor Ort?

Das werde ich noch intensivieren. In der Vorbereitung habe ich mich zeitlich und inhaltlich zurückgehalten. Die Wintervorbereitung ist ohnehin kurz, und dann ist der Trainer ja auch noch neu. Da ist es nicht notwendig, dass ich auch noch 45 Minuten in der Kabine bin. Nach dem Northeim-Spiel habe ich mir die Analyse im Training angehört, das wird jetzt sukzessive mehr. Klar ist aber auch, dass ich mir den neutralen Blick bewahre. Denn mein Hinweis wird jetzt nicht unbedingt sein, dass der Kader so noch in acht Jahren zusammenspielt. Gerade versuche ich zu verstehen, wo die Spieler ihre Stärken haben. Am Ende bleibt das die Aufgabe des Trainers, aber wenn ich gefragt werde, sage ich dazu etwas.

Wo sehen Sie denn die Stärken des SV Atlas Delmenhorst? 

Im Verein sind viele helfende Hände, das ist definitiv eine Stärke. Außerdem umgibt eine gewisse Aura den Verein. Noch mehr als früher ist Atlas das Sehnsuchtsmodell der Delmenhorster nach Leistungsfußball. Als ich noch für Atlas gespielt habe, war der Verein nicht überall beliebt. Mittlerweile hat sich das geändert. Im Umkreis von 100 Kilometern ist Atlas ein Thema im Amateurfußball. Das sind schon absolute Kernwerte. Wenn das weitergetrieben und in Delmenhorst weiter anerkannt wird, sind Synergiepotenziale da. Dann kann Atlas wie früher einiges für die Reputation der Stadt leisten. 

Und wo sehen Sie Schwächen? 

Ich war letztens auf der Trainingsanlage und muss leider sagen, dass das schon fast wettbewerbsverzerrend ist. Bei dem Licht kannst du nichts sehen. Die Diskussionen um den Kunstrasen kommen auch noch. Außerdem muss man die Erwartungshaltung managen, ohne dabei langweilig zu werden. Der Verein ist sehr schnell gewachsen, da muss die Organisation und alles andere noch hin. Eine Selbstanalyse ist da sehr wertvoll. Man muss erklären und aufzeigen, wie man sich weiterentwickeln will. Daran muss man arbeiten. Genauso wie an den Grundbedingungen, um in der Oberligaspitze oder irgendwann auch um mehr mitzuspielen.

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