Ein Bericht vom
von Daniel Niebuhr
Es ist für einen Sportler immer gut, wenn man weiß, wie man gewinnt – denn gewinnen ist ja immer noch das schwierigste im Sport. Der SV Atlas darf sich demnach selbst beglückwünschen zu seinem neuesten Transfer, der am Mittwoch offiziell wurde. Innenverteidiger Kostadin Velkov, der vom Chemnitzer FC kommt, hat in seiner Karriere nämlich schon relativ oft gewonnen: mit Slavia Sofia zum Beispiel den Pokal in seinem Heimatland Bulgarien, mit den Würzburger Kickers die Regionalliga Bayern und mit Chemnitz die Meisterschaft in der Regionalliga Nordost und den Sachsenpokal – und nebenbei ist er auch noch nett, wie Atlas-Sportchef Bastian Fuhrken betont: „Mit ihm werden wir nicht nur sehr viel Erfahrung und Qualität in unsere Mannschaft bekommen, wir werden auch einen Spieler bei uns begrüßen, der sehr herzlich ist.“
Nun ist es nicht so, dass Velkov in der 3. Liga, in der er zuletzt mit Chemnitz spielte, besonders oft in den Sportschau-Zusammenfassungen auftauchte; er machte nur ein Spiel, hauptsächlich weil er wegen eines Meniskusrisses lange ausfiel. Möglicherweise ist das aber auch ein Grund, warum Atlas sich nun seine Dienste sichern konnte: Die Delmenhorster brauchten einen bezahlbaren Routinier für die Defensive – und Velkov braucht einen Verein, der ihm vertraut. „Ich habe mich vor einem Jahr am Knie verletzt, drei Monate später war ich wieder auf dem Platz. Sportlich war die letzte Saison aber nicht die erfolgreichste für mich. Deshalb bin ich sehr motiviert und freue mich auf die neuen Mitspieler“, erklärt der 31-Jährige. Er bringt Ehefrau Nicole und den neun Monate alten Sohn Anthony mit nach Delmenhorst und ist „sehr glücklich, dass das Ganze geklappt hat“, wie er sagt: „Ich brauchte eine neue Herausforderung und bin mir sicher, dass Atlas der richtige Schritt für mich ist. Ich weiß, dass es ein sehr familiärer Verein ist und genau so etwas brauche ich für mich und meine Familie. Schon bei den ersten Gesprächen hatte ich ein super Gefühl.“ Sein Vertrag läuft über zwei Jahre; sein Ziel sei es, „lange in Delmenhorst zu bleiben“.
Wie lange das sein wird, hängt – wie vieles andere – wohl auch davon ab, wie lange sich Atlas in der höchsten deutschen Amateurklasse hält. Zumindest lässt der Neuling nun schon zum wiederholten Mal durch einen cleveren Transfer aufhorchen, nachdem unter anderem bereits der ungarische U19-Nationalspieler Olivér Schindler und der bei Werder Bremen ausgebildete 61-fache Drittligaspieler Philipp Eggersglüß nach Delmenhorst gelotst worden waren. Selbst der „Kicker“ berichtete am Mittwoch darüber: „Atlas Delmenhorst rüstet für die Regionalliga auf“, schrieb das Fachmagazin auf seiner Internetseite.
Man darf vermuten, dass Atlas noch die eine oder andere weitere Verstärkung sucht; mit den bisherigen Errungenschaften, zu denen auch die in ihre Heimat zurückkehrenden Delmenhorster Dimitrios Ferfelis und Luca Liske zählen, „haben wir aber schon einen großen Teil unserer Hausaufgaben gemacht“, wie Fuhrken verkündet. Dabei ist bislang der Balanceakt gelungen zwischen dem Wunsch, konkurrenzfähig zu sein, und dem Zwang, nicht das Budget zu sprengen. Der Kader wird teurer als in der Oberliga, „natürlich“, wie Fuhrken sagt: „Dafür haben die Spieler aber auch einen höheren Aufwand.“ Atlas habe in den vergangenen Jahren gut gewirtschaftet und ist zum Beispiel relativ vorsichtig mit den sechsstelligen Einnahmen aus dem DFB-Pokalspiel gegen Werder Bremen umgegangen.
Dennoch muss der Club in Nischen nach Spielern suchen, um das Puzzle einer schlagkräftigen Regionalliga-Mannschaft zusammenzusetzen. Scout Benjamin Rabe spielt dabei eine wesentliche Rolle, aber auch das Netzwerk, das Trainer Key Riebau aufgebaut hat. Velkos und Eggersglüß zum Beispiel hatten bewusst zu einem Verein im Norden gewollt – das Atlas-Umfeld mit der sportlichen Leitung und den begeisterungsfähigen Fans ist in Verhandlungen ein gutes Argument. „Wir bekommen immer wieder zu hören, dass der Umgang mit uns ein ganz anderer ist“, sagt Fuhrken – sonst würde man viele Spieler nicht bekommen: „Wir werden finanziell nichts Verrücktes machen – alles muss Hand und Fuß haben. Bei uns ist niemand Vollzeitfußballer – alle arbeiten oder studieren hauptsächlich.“ Im Etat sind Zuschauereinnahmen natürlich ein zentraler Posten – nicht nur Atlas hofft, dass es ab September welche geben wird, damit auch Schatzmeister Thomas von Rönn zufrieden ist.
Riebau ist es bislang ganz sicher, er hat in allen Mannschaftsteilen nun mehr Qualität im Aufgebot. Velkov, der den Spitznamen Koko und bei Atlas bald die Rückennummer drei trägt, hat als Persönlichkeit mehr zu bieten als seine Spielintelligenz und seine Ballsicherheit, von der bei Atlas alle schwärmen. „Er kommt als Typ sehr positiv rüber, mit ihm kann die Mannschaft wachsen“, sagt der Coach. „Er wird dem gesamten Team guttun – sportlich wie menschlich.“ Auch in Chemnitz wurde er sehr geschätzt. Fuhrken berichtet von Vertragsverhandlungen auf einer Wellenlänge: „Solch gute Gespräche hatte ich selten.“
Die Erfahrung des Bulgaren hat kaum ein anderer im Atlas-Kader. Der Höhepunkt in Velkovs Karriere war bislang der überraschende Sieg mit Slavia Sofia im bulgarischen Pokal, als er vor 32.000 Zuschauern über 120 Minuten gegen Nobelclub Levski Sofia auf dem Platz stand und mit seinem Team mit 4:2 nach Elfmeterschießen gewann. Fuhrken findet es aber ebenso beeindruckend, dass Velkov schon zweimal in die 3. Liga aufgestiegen ist – auch wenn das bei Atlas vermutlich nicht das offizielle Saisonziel werden dürfte.